Interview mit Stefan Mourinho

13.04.09: "Diese Saison ist die reinste Enttäuschung"

Stefan Mourinho hatte sich für diese Saison viel vorgenommen - Geklappt hat wenig. Im exklusiven Nachgetreten-Interview spricht er über die Entwicklung von Jose Ernesto Sosa, warum seine Spieler der deutschen Sprache mächtig sein müssen und was er kommende Saison besser machen möchte.


Nachgetreten: Guten Tag, Herr Mourinho. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für das Interview des Monats genommen haben. 

Stefan Mourinho:
Guten Tag, das mache ich doch gerne.

NG:
 Fangen wir mal mit Ihrem aktuellen Kader an. Sie haben 27 Spieler im Kader, das ist sehr viel. Gibts einen Grund dafür? Mehr Spieler bedeuten ja auch immer mehr Bankdrücker.

Stefan Mourinho: Naja, man muss das Ganze auch ein wenig relativieren. Mit Özat, Castelen und Choupo-Moting haben wir drei Langzeitverletzte. Dazu kommen noch einige Talente, mit denen wir so diese Saison noch gar nicht geplant haben, sondern sie nur langsam an den Profikader heranführen wollten.
Trozdem habe ich gerne einen großen Kader, damit ich genug Alternativen habe und auch auf Verletzungen gut reagieren kann.

NG: Ok, schauen wir uns das mal näher an. Mit Dennis Eilhoff haben Sie einen der stärksten Torhüter der Saison in Ihrem Kader. Mitten in der Hinrunde haben Sie ihn geholt und Markus Miller verkauft. Wussten Sie von seiner Stärke oder sind Sie selbst ein wenig überrascht über seine konstant guten Leistungen? Und war es die richtige Entscheidung?

Stefan Mourinho: Ja es war absolut die richtige Entscheidung. Markus Miller hat dem Druck leider einfach nicht mehr standgehalten, durch schwere Patzer hat er die Fans gegen sich aufgebracht. Deshalb war es das einzig Richtige, ihn gehen zu lassen. 
Eilhoff hatten wir schon länger auf der Liste, allerdings wussten wir auch nicht, dass er so gut ist. Er spielt wirklich eine großartige Saison. Ich hoffe, er kann dies nächste Saison bestätigen und erleidet nicht so einen Einbruch wie Miller diese Saison.

NG: Ist Eilhoff ein Mann für die Nationalmannschaft?

Stefan Mourinho: Er ist ein Spätentwickler, deshalb wird er es schwer haben gegen Leute wie Neuer und Adler. Aber wenn er sich so weiter entwickelt, dann ja, durchaus.

NG: Interessant. Ok. Eine weitere Überraschung in Ihrer Mannschaft spielt in der Innenverteidigung. Die Rede ist von Benedikt Höwedes, einem Eigengewächs, das den Durchbruch geschafft hat. Wie sehen Sie ihn ?

Stefan Mourinho: Ein großartiger Junge, schon super-abgeklärt für sein Alter und auch noch bei Standards immer brandgefährlich durch sein starkes Kopfballspiel. Er ist für mich die Zukunft in der Innenverteidigung von Deutschland und auch bei uns, was den Abgang von Bordon erklärt.

NG: Ein anderer Abwehrspieler von Ihnen führt momentan eher ein Reservistendasein. Werden Sie dem kleinen schnellen Young-Pyo Lee in Zukunft mehr Spielzeit geben?

Stefan Mourinho: Das ist nicht ganz richtig, momentan ist er leider verletzt. Ich hoffe doch sehr, dass wir im Saisonendspurt wieder voll auf ihn bauen können. Wenn er dann wieder zu 100% fit ist, wird er auch seine Einsatzzeit bekommen.

NG:
 Die Überraschung in Ihrem Kader in der Rückrunde ist wohl zweifelsohne Jose Ernesto Sosa. Zuletzt traf er sogar, wird er Chancen haben auf weitere Treffer? Kann man ihn schon Stammspieler nennen? Hätten Sie persönlich gedacht, dass er sich so positiv entwickelt?

Stefan Mourinho: Dass er Talent hat, sieht man bei jeder Ballberührung von ihm. Ich meine: Vor gar nicht all zu langer Zeit war er noch in der Jugendauswahl Stammspieler und Messi nur Reservist. Natürlich erwarten wir von ihm jetzt keine Entwicklung wie die von Messi. Aber ich denke durchaus, dass er mit Özil für die kreativen Momente in unserem Spiel verantwortlich sein wird. Ich gebe ihm die Zeit, die er braucht. Und wenn er mich im Training weiterhin überzeugt, dann wird er spielen und hoffentlich auch wieder treffen. 
Aber seit dem Treffer wirkt er wie verwandelt, dieses Tor hat ihm wirklich gutgetan.

NG:
 Im Gegensatz zu Sosa ist Stanislav Sestak wohl in Ihrem Kader die Enttäuschung der Rückrunde. Glauben Sie, er wird im Schlussspurt der Saison noch an frühere Leistungen anknüpfen können?

Stefan Mourinho: Diesen Spieltag hat er bei uns in der zweiten Mannschaft schon wieder überzeugt, wo er mit 3 Toren Matchwinner war. Ich hoffe, er hat jetzt das nötige Selbstvertauen getankt, um auch bei uns wieder ordentlich durchzustarten und zu treffen.

NG:
 Und schon sind wir im Sturm angelangt. Sind Sie stolz auf Ihr deutsches Sturmduo? Was glauben Sie, woran es liegt, dass Patrick Helmes nicht die Form der Hinrunde hat? Ist er vielleicht noch zu jung, um auf dem Level konstant gute Leistungen zu bringen?

Stefan Mourinho: Es ist Patricks erste Saison bei uns und ich denke, keiner hätte damit gerechnet, dass ihm die Umgewöhnung von der ersten zur zweiten Bundesliga so leicht fällt. Er hat eine fantastische Hinrunde gespielt, ein Formtief ist da ganz normal. 
Aber natürlich sind wir stolz, zwei deutsche Nationalstümer bei uns im Kader zu haben. Besonders, da mit Patrick Helmes auch noch einer aus der Region kommt.

NG: Könnten Sie sich vorstellen, dass er und Stefan Kießling auch von Beginn an bei der WM 2010 auf Torejagd gehen, oder sehen Sie da momentan noch andere Stürmer vorne?

Stefan Mourinho: Das halte ich eher für unwahrscheinlich, die beiden scheinen momentan nur Stürmer Nummer 4 und 5 in der Nationalelf zu sein. Ein Mario Gomez hat dort ja anscheinend Narrenfreiheit. Deshalb wäre ich schon froh, wenn Jogi beide nominiert.

NG: Hören wir da ein bisschen Kritik an Jogi Löw raus? Auch Helmes hat in der 2. Liga eine lange Durststrecke gehabt, bevor er zum Aufstiegshelden der vergangenen Rückrunde wurde. Hat Gomez nicht auch die Chance verdient, sich zu entwickeln?

Stefan Mourinho: Klar kann sich ein Gomez entwickeln, aber dies sollte im Verein passieren und nicht in der Nationalelf. Dass dies bei Gomez im ersten halben Jahr der Saison nicht der Fall war, dafür können ein Stefan Kießling oder Patrick Helmes nichts. Dafür kann man höchstens den Verein von Mario Gomez verantwortlich machen. 
In der Nationalelf sollten einfach die 11 besten Spieler der Nation spielen.

NG:
 Gut, aber Sie müssen doch der Aussage zustimmen, dass sich Patrick Helmes in der Nationalmannschaft bisher ebensowenig hervorgetan hat. Wen sehen Sie denn in Deutschlands Sturm bei der WM 2010?

Stefan Mourinho: Naja, ein Patrick Helmes hat bis jetzt auch noch nicht viele Chancen bekommen, und ein Stefan Kießling fast gar keine. Bei der WM 2010 werden wohl Klose und Gomez oder Podolski und Gomez auflaufen.

NG: Ok, zur Nationalmannschaft kommen wir später noch einmal. Es fällt auf, dass Sie besonders auf deutsche Spieler setzen.
Steckt da ein Konzept hinter oder ist das eher Zufall? 

Stefan Mourinho: Nicht unbedingt ein Konzept, aber ich habe es schon gerne, dass meine Spieler der Deutschen Sprache mächtig sind. Man muss die Kommunikation ja nicht unnötig erschweren und auch für die Fans ist es mit Sicherheit ganz schön, dass sie sich mit den Leuten auf dem Platz identifizieren können.

NG: Auch Misimovic war der deutschen Sprache mächtig. Sie haben ihn vor Kurzem an John verkauft. Nun ist er der beste Vorlagengeber der Liga.
Seinerzeit haben Sie gesagt, dass Sie mehr Tore brauchen und nicht unbedingt die Vorlagen. Wollen Sie nicht manchmal zu viel? Bereuen Sie den Transfer mittlerweile?

Stefan Mourinho: Ja, manchmal merkt man erst, wie sehr einem etwas fehlt, wenn es weg ist. So ähnlich geht es mir mit Misimovic. Besonders wenn man bedenkt, dass Obasi, der im Tausch für ihn kam, sich erst verletzt hat und mittlerweile nicht mehr im Kader steht. Dafür ist aber auch ein Sosa super in die Rolle von Misimovic hineingewachsen. Aber Misimovic war schon vor dem Wechsel zu John bester Vorlagengeber, oder nicht?

NG: Ja, das war er. Umso unverständlicher, dass Sie ihn hergegeben haben, dies hat Ihnen ja auch viel Kritik in den Medien eingebracht. Ähnlich ist es mit Jefferson Farfan. Bei Ihnen der Flop der Hinrunde, bei The Q blüht er nun auf. 
Hätten Sie ihn nicht heute gerne im Kader? Geben Sie vielleicht manchmal zu schnell auf?

Stefan Mourinho: Nein, wir hatten andere Baustellen. Es ist ja nicht so, dass wir einen Farfan vom Hof gejagt haben. Wir haben ihn gegen Bordon getauscht, der sich aber leider ebenfalls wie Obasi kurz danach verletzt hat. Dass er bei Q jetzt aufblüht, ist sehr schön für den Jungen. Aber Farfan hat bei uns einfach nicht ins Team gefunden. Warum sollte man ihn dann noch länger quälen, wenn ein gutes Angebot für ihn vorliegt?

NG: Nun kommen wir zu Ihrer aktuellen sportlichen Lage. Sie wurden vor der Saison als ärgster Konkurrent von John gehandelt, nun sind Sie nur auf Platz 4.
Woran liegt es und was wollen Sie in dieser Saison noch in der Liga erreichen? 

Stefan Mourinho: Wir liegen wohl nur auf Platz 4, weil wir zu wenig Punkte gesammelt haben. Ich denke, wir haben uns vor der Saison den ein oder anderen Fehltritt auf dem Transfermarkt geleistet. Aber aus Fehlern lernt man und ich gehe stark davon aus, dass wir in der nächsten Sommerpause ein wesentlich verbessertes Scouting an den Tag legen. Für diese Saison gilt das Ziel Platz 3 und damit die Quali für die CEFA-League, wobei wir uns dafür enorm steigern müssen.

NG: Könnten Sie mit Platz 4 am Ende der Saison leben oder wäre das eine Enttäuschung?

Stefan Mourinho: Die gesamte Saison ist eine Enttäuschung. Wir hatten ganz andere Ziele, als um Platz 3 zu kämpfen. Aber ich bin Optimist - Rang 4 hat auch seine Vorteile: Im CEFA-Cup sehe ich unsere Chancen erheblich größer als in der CEFA-League. Aber für die kommende Saison nehmen wir uns wieder viel vor.

NG: Sie werden Ihren Pokalsieg nicht wiederholen können, den Supercup-Sieg wohl auch nicht, und in der Torschützenliste liegen Sie weit hinter dem Führenden. Sind damit alle Ziele für diese Spielzeit gescheitert? Oder können Sie der Saison doch noch etwas Positives abgewinnen?

Stefan Mourinho:
Das einzig Positive war die Internationale Erfahrung und die durchaus passable Leistung auf Internationalem Parkett. Ansonsten ist die Saison für mich und mein Team wirklich die reinste Enttäuschung. Wir werden wohl keinen unserer Titel verteidigen können und wohl auch nicht wie letzte Saison noch bis zum letzten Spieltag um die Meisterschaft kämpfen, von daher: Ja, wir sind mit all unseren Zielen gescheitert. 
Nur die Entwicklung einiger junger Spieler macht mir Mut.

NG: Wie ist Ihr Team damit umgegangen, gegen den krassen Aussenseiter Tobi im Pokal zu verlieren?
Hat Ihr Team das Spiel schon im Kopf gewonnen gehabt?

Stefan Mourinho: Wahrscheinlich schon. Ich denke, wir haben Tobi unterschätzt und er hat das eiskalt ausgenutzt. Wirklich eine tolle Leistung an dem Tag von seinem Team. Im Rückspiel war dann natürlich nix mehr zu machen. 
Ich bin gespannt, ob er das Finale erreichen kann. Doch John wird gewarnt sein und ihn nicht unterschätzen.

NG: Sie konnten international in der CEFA-League bis ins Achtelfinale vorstoßen. Ein Erfolg oder wäre evtl. noch ein bisschen mehr dringewesen ? Wie bewerten Sie ihren Auftritt auf internationaler Ebene?

Stefan Mourinho: Klar, für uns und unsere Liga ist das bis jetzt der größte internationale Erfolg. Ich war sehr zufrieden mit den Auftritten meiner Mannschaft auf internationaler Ebene. Allerdings hatte ich die leise Hoffnung, noch eine Runde zu überstehen, doch leider war unser Gegner doch zu stark.

NG: Haben Sie damit gerechnet, dass Patrick die Liga so dominiert und das Feld so dermaßen von hinten aufrollt? 

Stefan Mourinho:
 Patrick war für mich der Geheimfavorit, allerdings hätte ich nicht gedacht, dass er so stark ist. Besonders, da seine Defensive nicht sonderlich namhaft am Anfang der Saison war. Aber ich denke, er hat uns alle überrascht und man kann ihm nur ein großes Lob aussprechen, was für tolle Arbeit er leistet.

NG: Was sagen Sie zum Verlauf der Saison? Welches Team hat sie positiv bzw. negativ überrascht?

Stefan Mourinho: Positiv natürlich Patrick und Rich, wobei ich Patrick ja sogar auf dem Zettel hatte. Rich dagegen kam für mich total unerwartet und kämpft jetzt ums internationale Geschäft. Die größte negative Überraschung für mich ist mein eigenes Team. Ansonsten hätte ich von bene noch mehr erwartet und von Henrik bin ich auch ein wenig enttäuscht, sein Team hat kaum Fortschritte gemacht. 

NG: Wer denken Sie wird Meister bzw. Pokalsieger? Denken Sie, das Supercup-Spiel fällt dieses Jahr aus?  

Stefan Mourinho:
 Das ist durchaus möglich. Patrick ist momentan enorm stark und ich denke auch, dass er die Meisterschaft für sich entscheidet. Allerdings hat der Pokal seine eigenen Gesetze, dort kann jeder gewinnen, wobei auch dort Patrick und John wohl die Favoriten sind.

NG: Nun noch eine Frage zur Nationalmannschaft, bevor wir langsam zum Ende kommen. Die Ohrfeige, die Podolski Michael Ballack im Länderspiel verpasst hat, hat große Diskussionen ausgelöst. Was denken Sie, wie damit umzugehen ist? Eine Strafe dafür gab es ja quasi gar nicht.

Stefan Mourinho: Das ist auch richtig so, immerhin ist Fußball doch immer noch ein Männersport, weshalb ich die ganze Aufregung um so einen harmlosen Wischer wie den von Podolski überhaupt nicht nachvollziehen kann. Wenn ich den ganzen Mist lese, dass Podolski Rot bekommen hätte müssen und so weiter, dann kann ich mir nur an den Kopf fassen. 
Fußball lebt von Emotionen und so ein harmlose Aktion, mein Gott, bei mir hätte es dafür auch keine Strafe gegeben. Solange nachher die Fronten geklärt sind, ist doch alles wunderbar.
 
NG: Abschließende Frage: In den Medien ist immer viel zu lesen über Ihre Rivalität zum Nachbarn John Gates. Wer ist denn nun der bessere Manager am Rhein? Sie oder er?

Stefan Mourinho: Der bessere, hm, das ist glaube ich nur schwer zu sagen. Momentan ist er der erfolgreichere, weil er diesen Sommer ein glücklicheres Händchen bewiesen hat. Aber ob ihn das zum besseren macht? Das will ich mir nicht anmaßen, zu beantworten. Besonders, da wir beiden ja noch die erfolgreichsten Manager der Liga sind. Wobei Patrick auf dem besten Weg, ist dies zu ändern.

NG: Sie haben wohl recht, diese Frage wird wohl nie geklärt werden. Herr Mourinho, vielen Dank für dieses Interview. Wir wünschen Ihnen noch viel Erfolg und dass diese Saison doch noch ein einigermaßen positives Ende für Sie nimmt. Auf Wiedersehen. 

Stefan Mourinho: Ja, ich bedanke mich ebenfalls. Auf Wiedersehen.

Das Interview führte John Gates.

 

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